Das Samstagspiel
Zu den letzten Gefechten in der 2. Frauenbundesliga Ost trafen sich im frisch renovierten Jugendzentrum „Mampfe“ in Merseburg vier Frauenmannschaften zur letzten Doppelrunde der auslaufenden Saison 2019/20 um ihre noch anfallenden Spiele zu absolvieren. Dabei ging es für zwei Mannschaften um die Vergabe der Spitzenplätze und für zwei der Teams den drohenden Abstieg zu verhindern.
Die Schachgemeinschaft 1871 Löberitz hat in den letzten Jahren schon auf beiden Seiten gestanden, doch in diesem Jahr lag der Aufstieg greifbar nah.
Dafür mussten zwei Mannschaftssiege her, denn von einem Straucheln des engsten Verfolgers Rotation Berlin-Pankow bei deren Doppelrunde in Leipzig durfte nicht ausgegangen werden.
Am Samstag hielten die Löberitzer den Druck noch locker stand und gewannen gegen den Chemnitzer SC Aufbau 95 (LSN 2036) verdient überlegen. Dass die Chemnitzerinnen aber trotz der hohen Niederlage gute Spieler in ihren Reihen haben, zeigt, dass unsere Führungsspielerin Dana Reizniece-Ozola gegen die Internationale Frauenmeisterin Anne Czäczine nicht über eine Punkteteilung hinaus kam.
Der ganze Spieltag, fast 6 Stunden, wurde von einem dreiköpfigen Team des MDR-Fernsehens begleitet. Das brachte zusätzliche Spannung in den Spielsaal. Hut ab, für die Standhaftigkeit der Fernsehleute.
Etliche Zuschauer, unter ihnen auch Thomas Richter, gen. Chevaliere, schauten in Merseburg vorbei. Ihm sei wieder einmal mehr für seine Fahreinätze am Freitag und Sonntag gedankt.
Saisonabschluss vor dem Abschluss der Saison?
Es ist schwierig den Saisonabschluss zu feiern, wenn am anderen Morgen noch ein wichtiges Spiel ansteht. Doch der Zeitplan ließ keine andere Möglichkeit zu. Und so ging es, wie schon am Vorabend, bis spät in die Nacht. Sogar Schach wurde gespielt.
Auch Zeit für ein Mannschaftsgespräch in Anwesenheit des Vereinsschatzmeisters Uwe Bombien. Der Wille zum Aufstieg war jedenfalls von allen Teilnehmerinnen zu erfahren. Schnell ging es wieder zum gemütlichen Teil über.
Dabei konnte ich noch eine Anekdote aus dem Leben von Dana zum Besten geben. Die möchte ich auch keinem vorenthalten. Meine Quelle ist der „Kaissiber“, eine Zeitschrift mit ausgewählten Beiträgen zum Schach, Nr. 4 aus dem Jahr 1998. Die von Stefan Bücker herausgegebene Zeitung wurde inzwischen eingestellt.
In dieser Publikation betrieb der Österreicher Chrilly Donninger eine Rubrik über Computerschach. In der Nr. 4 des Jahres 1998, S. 14, lässt er sich scherzhaft über die Irrtümer des zwischen Max Euwe und Jan Timman bedeutendsten Schachgroßmeisters Johannes Hendrikus (Hein) Donner (* 6. Juli 1927 in Den Haag; † 27. November 1988) aus. Donner berichte zu seinen Lebzeiten immer und gern, dass zwei „Dinge“ niemals gut Schach spielen können: Frauen und Computer.
Nun schrieb Donninger im Rahmen der Berichterstattung zur Jugend-Europameisterschaft im österreichischen Mureck in der Steiermark: „Dana Reizniece, die lettische Siegerin der weiblichen U18-Kategorie, widerlegte Donner in doppelter Hinsicht. Erstens spielte sie ein wirklich sehenswertes Schach. Zweitens ist sie alles andere als ein strenges Fräulein. In meinen Augen wäre sie die ideale Hauptdarstellerin für eine Schneewitchen-Verfilmung. Ein Schachprogramm während einer Turnierpartie zu bedienen, gehört nicht zu den vergnüglichen Seiten des Lebens. Dementsprechend ist auch der Andrang an Freiwilligen normalerweise ziemlich gering. Beim Spiel Nimzo (Ein von Donninger entwickeltes Computerprogramm; KR.) gegen Dana meldeten sich jedoch etliche Zwerge, die nimzobedienend zwei Stunden mit Schneewittchen an einem Tischlein sitzen wollten.“
Zu erwähnen ist noch, dass Dana damals gegen das Programm remisierte, wogegen der männliche Europameister Dennis de Vreugt und auch die zweimalige Vizeweltmeisterin Nana Alexandria aus Georgien sich dem Schachprogramm beugen mussten.
Am Sonntag war SV Grün-Weiß Niederwiesa Gegner der Löberitzer (LSN 2037). Die waren noch eine Klasse besser als die Frauen ihres Nachbarortes Chemnitz. Wenn man einmal von dem Eilerfolg der Mannschaftsführerin Rebekka Schuster absah, sah es an allen Brettern gar nicht erfreulich aus. Nachdem die in dieser Saison von Erfolg zu Erfolg eilende Elina Otikova ihre Weißpartie verlor wurde mir mulmig und ich machte mich erst einmal in die Stadt um im sehenswerten Dom den dort liegenden ersten und einzigen Herzog von Zörbig August von Sachsen-Merseburg-Zörbig (* 15. Februar 1655 in Merseburg; † 27. März 1715 in Zörbig) einen Besuch abzustatten. Leider war die Krypta verschlossen und auch so konnte ich mir wenig ansehen, dann eine SMS scheuchte mich auf: „Sekt mitbringen. Tine hat gewonnen, Nadine Remis, Ilze wird gewinnen und Dana hat Remis abgelehnt.“
Also ging es im Sauseschritt über den Marktplatz zurück in die „Mampfe“. Die übermittelten Ergebnisse hatten zwar ihre Richtigkeit, doch Ilze Berzina musste in einer offenen Stellung ihren Vorteil erst einmal in zählbare Werte ummünzen. Dana dagegen stand unter schweren Beschuss. Doch dann ging es bei Ilze doch recht schnell und sie gewann ihre Partie, sicherte dadurch den Mannschaftssieg und den daraus resultierenden Aufstieg. Dana hatte sich in einem komplizierten Endspiel einen Mehrbauern gesichert. Doch es war ein Randbauer. Also Remis und der 4:2-Sieg war perfekt.
Überraschend besuchte auch Vereinspräsident Andreas Daus mit seiner Frau Heike die Finalrunde in Merseburg.
Der zu einer Siegesfeier notwendige Sekt hatte Christine, vermutlich aufstiegserfahren, vorsorglich mitgebracht. Sie hatte scheinbar das richtige Gefühl. Also konnte auf die Zukunft zünftig angestoßen werden.
2011 Jahre nach der Schlacht im Teutoburger Wald, im 149. Jahr nach Vereinsgründung, 66 Jahre nach meiner Geburt in Löberitz und im 16. Regierungsjahr der Bundeskanzlerin Angela Merkel gelang es den Frauen der Schachgemeinschaft 1871 Löberitz, dem Verein aus einem kleinen Dorf zwischen Leipzig, Dessau und Halle, ohne Niederlage die Ost-Staffel der 2. Bundesliga zu gewinnen und in die 1. Bundeliga aufzusteigen.
Die am Erfolg beteiligten Spielerinnen sind WGM Dana Reizniece-Ozola, WFM Ilze Berzina, WFM Elina Otikova, Nadine Naumann, Christine Giebel, Mannschaftsführerin Rebekka Schuster, Josephine Kötteritzsch und Viktoria Tauchnitz. Allen meinen persönlichen Glückwunsch!
So klar wie das Endergebnis jetzt aussieht, ist es nicht. So hatten die Löberitzerinnen in den Spielen gegen die SG Leipzig und auch gegen Rotation Pankow eine gehörige Portion Glück zur Seite. Doch das gehört dazu. Ansonsten zeigte sich das Team, mit Ausnahme der beiden Auftaktspielen, sehr kompakt. Weniger als acht Spielerinnen hatten in der Staffel nur die Berliner eingesetzt.
Dank an all denen, die immer oder oft mit dabei waren. Großmeister Alexander Naumann und Norman Schütze sowie dem Chevalier für seine finanzielle Unterstützung und die Fahrleistungen. Gleiches gilt auch der Familie Reiß.
Auf zu neuen Ufern mit neuen ambitionierten Herausforderungen. Doch es wird ein langer und harter Weg.
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