Eigentlich wurde in den Redaktionen der staatlich kontrollierten Presseorgane der DDR ordentlich und sorgsam gearbeitet und vor allem alles überprüft. Pannen gab es dennoch. Ob das ein Zufall war oder Absicht, konnte oft nicht festgestellt werden. Auf alle Fälle rief das die „zuständigen Organe“, also Polizei oder Staatssicherheit, auf den Plan.
So auch bei einem Fehldruck der renommiertesten, weil einzigen Schachzeitung der DDR. Die Zeitschrift „Schach“ erschien im Sportverlag und kostete 1,20 Mark.
In der der Januar-Ausgabe des Jahres 1987 machte der Präsident des Deutschen Schachbundes der DDR, Werner Barthel, im Leitartikel unter der Überschrift „Gemeinsam mit neuen Leistungen das Schach verbreiten“, auf der Seite 1 eine fatale Aussage. Er beendete seinen Artikel, bzw. so wurde er abgedruckt: „... Unser Wissen über die von den aggressiven Kräften des Sozialismus ausgehenden Gefahren eines atomaren Infernos und unsere Zustimmung zu den weitgehenden beharrlichen sowjetischen Friedensinitiativen erfordern von uns konkrete Taten für die wichtigste Sache in der Welt - die Bewahrung des Friedens.“
Richtig musste es natürlich heißen „...aggressiven Kräften des Imperialismus...“.
Als der Lapsus ans Tageslicht kam, wurden sofort alle Zeitungen aus den Buchläden und Zeitungskiosken zurückgeordert.
Die alte Zeitung wurde eingestampft und berichtigt neu gedruckt. Sie kam dann etwas verspätet in den Handel. Die Kosten des Neudruckes beliefen sich auf etwa 12 000,- Mark. Ein Problem konnte allerdings nicht gelöst werden, die Exemplare, die im Abonnement direkt über den Postzeitungsvertrieb an die Kunden gingen, konnten nicht zurückgeholt werden. Wie mir Großmeister Uwe Bönsch damals mitteilte, waren die Fehldrucke gefragte Artikel. Von Sammlern aus dem westlichen Ausland wurden bis zu 50 $ für eine Zeitung geboten. Zu DDR-Zeiten eine horrende Summe.
Horst Rittner, Fernschachweltmeister und langjähriger Chefredakteur der Zeitschrift „Schach“
© Schachmuseum Löberitz aus dem persönlichen Besitz von Horst Rittner / Berlin
Wie mir Horst Rittner mitteilte, wurde der Fehler in der Druckerei verursacht. Mehrere Leute, Rittner, Fuchs und auch der Verfasser Barthel, haben im Korrekturdruck den Fehler überlesen.
Die Hauptverantwortung trug natürlich Horst Rittner als Chefredakteur. Er sollte diesbezüglich sogar entlassen werden. Doch DSV-Präsident Werner Barthel, ein ehemaliger Oberst der Nationalen Volksarmee, stellte sich schützende vor ihn.
Vor Gericht wurde dennoch verhandelt. Der Jurist, der Horst Rittner vor dem Gericht Berlin-Mitte vertrat, hieß Heinrich Kornath. Am Ende handelte der Rechtsanwalt einen für seinen Mandanten günstigen Vergleich aus und Rittner kam mehr oder weniger mit einem blauen Auge davon.
Mehr konnte, bzw. durfte mir Heinrich Kornath wegen der Verschwiegenheitspflicht gegenüber seines Mandanten nicht aussagen. Wer sich trotzdem dafür interessiert, der kann die Gerichtsakten im Amtsgericht Berlin-Mitte einsehen. Sie sind nach Ablauf einer Sperrfrist auf Antrag seit einigen Jahren einsehbar.
Auf alle Fälle gehört diese doppelt gedruckte Zeitung zu den im Löberitzer Schachmuseum vorgehaltenen Kuriositäten.
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